Raum zum Heilen

Leben im SLW: Ein Tag in der traumapädagogischen Kinderwohngruppe „Anton“ im Walburgisheim Feucht

Feucht. In „Antons“ Gemeinschaftsküche kommt neben dem Essen alles mögliche auf den Tisch: Vorstellungen über Wochenendplanungen, Ideen für die Ferien, Kummer mit Eltern oder Freunden – oder auch: Hausaufgaben. Seit einem Jahr gibt es im Kinder- und Jugendhilfezentrum Walburgisheim in Feucht im Nürnberger Land das spezielle Angebot, innerhalb der traumapädagogischen Gruppe „Anton“ bis zu acht traumatisierten Kindern ab dem vierten Lebensjahr ein vorübergehendes Zuhause sowie zuverlässige familiäre Strukturen zu bieten.

Erzieherin und Gruppenleiterin Jana Matschke mit den Kindern der Wohngruppe beim Mittagessen

Ketchup und Apfelsaft machen die Runde, es wird gegessen und getrunken, erzählt und gescherzt. Nach einem langen Schultag gibt es vieles, das berichtet werden will: von der Mitschülerin, die heute krank war, von dem Klassenkamerad, der zum Spielen vorbei kommen möchte, von der Wasserschlacht, die für die Ferien geplant ist. Zwischen den Kindern sitzt Erzieherin und Gruppenleiterin Jana Matschke, die mit viel Herzblut und Engagement vor gar nicht langer Zeit die traumapädagogische Wohngruppe „Anton“ mit aufgebaut hat. „Den Kindern, die hier leben, wurde überwiegend zu Hause von nicht oder nur bedingt erziehungsfähigen Eltern die Kontrolle entzogen“, berichtet die 24-Jährige. Deswegen ist es ihr und dem gesamten Team besonders wichtig, dass die Kinder mit entscheiden dürfen: Wie in einer Familie geben die Erwachsenen Rhythmus und Rahmen vor – den Raum dazwischen dürfen die Kinder füllen.

Eigene Bedürfnisse wahrnehmen

„Innerhalb eines heilpädagogischen Settings und im Zusammenleben mit Anderen lernen sie, eigene Bedürfnisse, etwa das nach Sicherheit, wahrzunehmen und zu artikulieren“, erklärt Matschke. „Anton“ sei dabei für die Eltern tabu; die Wohngruppe verstehe sich vielmehr als Schutzraum für Kinder mit einem heilenden, Ressourcen stärkenden und vertrauensvollen Klima, über das Kinder Geborgenheit und Stabilität erfahren. So können Stück für Stück traumatische Belastungserfahrungen abgebaut und die Kinder zu stablil(er)en Persönlichkeiten werden. 

Wer hier lebt, hat schon einiges hinter sich: Verwahrlosung, auch emotionale, übergriffiges oder sexualisiertes Verhalten, Drogen, Gewalt, Missbrauch. „Kein Fall ist wie der andere“, weiß Iris Kümmich, Stellvertretende Leitung Erzieherische Hilfen und Leitung Wohngruppen Feucht. „Manche Eltern sind einfach hilflos in der Erziehung und letztlich mit ihren Kindern überfordert, müssen erst mal ihr eigenes Leben auf die Reihe kriegen.“ Manchen fiele es auch schwer, zu akzeptieren, dass ihr Kind eine Zeitlang in der Einrichtung verbringe. Dabei, betont Jana Matschke, blieben Eltern immer wichtige Ansprechpartner: „Für die Kinder sind sie heilig – egal, was sie verbockt haben.“ Man wolle sie nicht in einen Loyalitätskonflikt hineinziehen. „Wenn ich die Eltern mit im Boot habe, kann ich die Kinder besser stärken“, merkt auch Iris Kümmich immer wieder.

Wertschätzender Umgang

Ein wertschätzender, liebevoller und respektvoller Umgang richte schon viel Gutes aus. „Die Kinder dürfen hier einfach glücklich sein und sich entfalten“, so Kümmich. Immer wieder gehe es darum, den Anderen zu sehen, ihn wahrzunehmen und anzunehmen, Orientierung und Halt zu vermitteln. „Wer hierher kommt, ist den Überlebensmodus gewöhnt“, weiß die 44-Jährige. Es brauche dann neben einer Umarmung vor allem auch Fürsorge in jeder Hinsicht, Förderung und Stärkung des Selbstbewusstseins, aber auch Regeln und einen festen Tagesablauf innerhalb eines geregelten Alltags.

Über ein positives Eingebettetsein in familiärem Kontext könnten Kinder mit schwierigen Hintergründen erfahren, was Vertrauen, Bindung und Beziehung bedeuteten. „Sie haben meist sehr sensible Antennen für all das und holen sich von jeder Bezugsperson das, was sie gerade brauchen“, weiß Jana Matschke. „Dabei lernen sie zum Beispiel, anders mit Aggressionen umzugehen, Grenzen zu akzeptieren oder auch, das Eigentum des Gegenüber zu wahren.“ Diese wertvolle Entwicklung zu begleiten, ist für Jana Matschke spannend und herausfordernd zugleich. Gerne erinnert sie sich an einen zunächst völlig verschlossenen Jungen, der irgendwann abends, als sie an seiner Bettkante saß, um ihm gute Nacht zu sagen, erklärte: „Ich freue mich auf morgen und dass wir uns dann wiedersehen.“

„Das höchste Gut ist immer die Rückführung in die Ursprungsfamilie“, erklärt Iris Kümmich zusammenfassend. Nicht selten sei es bis dahin ein langer und anstrengender Weg, häufig auch unter Einbeziehung des psychologischen Fachdienstes sowie mit Unterstützung durch ortsansässige Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. „Zum Wohle des Kindes passen wir den Rahmen immer wieder neu an“, so Kümmich. „Dem Kind“, betont die Diplomsozialpädagogin, „muss es gut gehen; die Seele muss heilen können.“         Ulrike Schwerdtfeger

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